Kirstin Wappler untersucht in ihrer Chemnitzer Dissertation den Umgang von Christen mit dem SED-Schulsystem in zwei Gebieten, die sich vom DDR-Durchschnitt deutlich unterschieden: dem katholischen Eichsfeld und dem protestantischen Erzgebirge. Auf der Basis zahlreicher Gespräche mit Zeitzeugen und umfangreichen Quellenmaterials rekonstruiert die Autorin den Schulalltag in der DDR aus der Perspektive der Betroffenen. Kirstin Wappler veranschaulicht, wie die SED im Schulbereich ihren Herrschaftsanspruch durchzusetzen versuchte und wie es christlichen Lehrern, Schülern und Eltern dennoch über die gesamte Zeit der Diktatur gelang, ihren Einfluß geltend zu machen. Anhand eines in vier Zeitabschnitte gegliederten Vergleichs arbeitet die Verfasserin Gemeinsamkeiten und Unterschiede des SED-Vorgehens wie auch der Abwehr in beiden Regionen heraus. Die gut lesbare, mit vielen Zitaten angereicherte Arbeit lässt ein Stück Zeit- und Regionalgeschichte lebendig werden.
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Aus dem Inhalt:
1. Einleitung 9
1. 1. Untersuchungsgegenstand 9
1. 2. Forschungsstand und Quellen 14
Kirstin Wappler untersucht in ihrer Chemnitzer Dissertation den Umgang von Christen mit dem SED-Schulsystem in zwei Gebieten, die sich vom DDR-Durchschnitt deutlich unterschieden: dem katholischen Eichsfeld und dem protestantischen Erzgebirge. Auf der Basis zahlreicher Gespräche mit Zeitzeugen und umfangreichen Quellenmaterials rekonstruiert die Autorin den Schulalltag in der DDR aus der Perspektive der Betroffenen. Kirstin Wappler veranschaulicht, wie die SED im Schulbereich ihren Herrschaftsanspruch durchzusetzen versuchte und wie es christlichen Lehrern, Schülern und Eltern dennoch über die gesamte Zeit der Diktatur gelang, ihren Einfluß geltend zu machen. Anhand eines in vier Zeitabschnitte gegliederten Vergleichs arbeitet die Verfasserin Gemeinsamkeiten und Unterschiede des SED-Vorgehens wie auch der Abwehr in beiden Regionen heraus. Die gut lesbare, mit vielen Zitaten angereicherte Arbeit lässt ein Stück Zeit- und Regionalgeschichte lebendig werden.
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Aus dem Inhalt:
1. Einleitung 9
1. 1. Untersuchungsgegenstand 9
1. 2. Forschungsstand und Quellen 14
1. 3. Methodik 20
1. 4. Aufbau 22
2. Rolle des Erziehungswesens in der DDR 25
2. 1. Ziele 25
2. 2. Schulentwicklung 26
2. 3. Lehrerentwicklung 34
2. 4. Jugendweihe 38
3. Rolle der Kirchen in der DDR 41
3. 1. „Überwinterungsstrategie“ der katholischen Kirche 41
3. 1. 1. Haltung in der Frage der Jugendweihe 47
3. 1. 2. Haltung in der Frage der Wehrpflicht 49
3. 1. 3. Laienapostolat 50
3. 2. „Dialogverhalten“ der evangelischen Kirche 53
3. 2. 1. Haltung in der Frage der Jugendweihe 60
3. 2. 2. Haltung in der Frage der Wehrpflicht 62
3. 2. 3. Laienapostolat 63
3. 3. Vergleich 65
4. Historisch-religiöser Hintergrund 67
4. 1. Eichsfeld 67
4. 2. Erzgebirge 70
4. 3. Vergleich 74
5. Rolle der Schule im Eichsfeld 75
5. 1. 1945-1954: Grenzen der Politisierung 75
5. 1. 1. Umgang katholischer Lehrer mit Politisierung 75
5. 1. 2. Umgang katholischer Schüler mit Politisierung 81
5. 1. 3. Rückhalt für katholische Lehrer 84
5. 1. 4. Rückhalt für katholische Schüler 88
5. 1. 5. Resümee 90
5. 2. 1955-1970: Grenzen der Politisierung 91
5. 2. 1. Umgang katholischer Lehrer mit Politisierung 91
5. 2. 2. Umgang katholischer Schüler mit Politisierung 99
5. 2. 3. Rückhalt für katholische Lehrer 105
5. 2. 4. Rückhalt für katholische Schüler 107
5. 2. 5. Resümee 112
5. 3. 1971-1978: Grenzen der Politisierung 114
5. 3. 1. Umgang katholischer Lehrer mit Politisierung 114
5. 3. 2. Umgang katholischer Schüler mit Politisierung 120
5. 3. 3. Rückhalt für katholische Lehrer 125
5. 3. 4. Rückhalt für katholische Schüler 130
5. 3. 5. Resümee 132
5. 4. 1979-1989: Grenzen der Politisierung 134
5. 4. 1. Umgang katholischer Lehrer mit Politisierung 134
5. 4. 2. Umgang katholischer Schüler mit Politisierung 140
5. 4. 3. Rückhalt für katholische Lehrer 144
5. 4. 4. Rückhalt für katholische Schüler 148
5. 4. 5. Resümee 150
6. Rolle der Schule im Erzgebirge 152
6. 1. 1945-1954: Grenzen der Politisierung 152
6. 1. 1. Umgang evangelischer Lehrer mit Politisierung 152
6. 1. 2. Umgang evangelischer Schüler mit Politisierung 159
6. 1. 3. Rückhalt für evangelische Lehrer 163
6. 1. 4. Rückhalt für evangelische Schüler 168
6. 1. 5. Resümee 170
6. 2. 1955-1970: Grenzen der Politisierung 171
6. 2. 1. Umgang evangelischer Lehrer mit Politisierung 171
6. 2. 2. Umgang evangelischer Schüler mit Politisierung 180
6. 2. 3. Rückhalt für evangelische Lehrer 187
6. 2. 4. Rückhalt für evangelische Schüler 189
6. 2. 5. Resümee 192
6. 3. 1971-1978: Grenzen der Politisierung 193
6. 3. 1. Umgang evangelischer Lehrer mit Politisierung 193
6. 3. 2. Umgang evangelischer Schüler mit Politisierung 201
6. 3. 3. Rückhalt für evangelische Lehrer 208
6. 3. 4. Rückhalt für evangelische Schüler 209
6. 3. 5. Resümee 213
6. 4. 1979-1989: Grenzen der Politisierung 214
6. 4. 1. Umgang evangelischer Lehrer mit Politisierung 214
6. 4. 2. Umgang evangelischer Schüler mit Politisierung 218
6. 4. 3. Rückhalt für evangelische Lehrer 223
6. 4. 4. Rückhalt für evangelische Schüler 224
6. 4. 5. Resümee 229
7. Schlußbetrachtung 231
7. 1. Zusammenfassende Thesen 231
7. 2. Offene Fragen 242
8. Quellen- und Literaturverzeichnis 245
8. 1. Quellen 245
8. 1. 1. Zeitzeugeninterviews 245
8. 1. 2. Archivalien 246
8. 2. Selbständig erschienene Literatur 246
8. 3. Unselbständig erschienene Literatur 251
8. 4. Internet und Downloads 256
Weitere Stellungnahmen zum Buch:
Das Thema des Buches ist anspruchsvoll, aber vernachlässigt. Kirstin Wappler befaßt sich mit der Rolle des Schulalltages im katholischen Eichsfeld und im protestantischen Erzgebirge. Beide Gebiete zeichn(et)en sich durch tiefe Verbundenheit und starke Identifikation mit der Heimat aus. „Wie gingen christliche Lehrer, Schüler und deren Eltern in den untersuchten Gebieten mit den politischen Zumutungen um? Wie gelang es ihnen, den Einfluß der SED im Erziehungsbereich zu begrenzen?“
Die Kapitel über die Rolle des Erziehungswesens in der DDR und die Rolle der Kirchen in der DDR sind hinführender Art und geben einen sehr guten Überblick zum Untersuchungsgegenstand. Das nächste Kapitel über den „historisch-religiösen Hintergrund“ erfaßt die milieuspezifischen Gegebenheiten im Eichsfeld und im Erzgebirge.
Die ähnlich angelegten Kapitel über die Rolle der Schule im Eichsfeld, die Rolle der Schule im Erzgebirge und dem Vergleich stellen den Kern der Arbeit dar. Die Autorin unterscheidet jeweils zwischen vier Phasen, was die Grenzen der Politisierung betrifft: 1945-1954, 1955-1971, 1972-1978, 1979-1989. Die erste Phase ist gekennzeichnet durch eine Umstrukturierung der Schule, die zweite Phase durch eine Verschärfung der Zulassungsregelungen für die Erweiterte Oberschule und durch die Etablierung der Jugendweihe, die dritte durch eine gewisse Entspannung des Verhältnisses von Staat und Kirche. Das Phänomen, daß in den von Aufweichungstendenzen gekennzeichneten achtziger Jahren nur wenige evangelische Lehrer den Gottesdienstbesuch wagten, wohl aber in den stärker repressiven Fünfzigern erklärt die Autorin zu Recht mit verinnerlichter Furcht, die sich verselbständigt habe.
Während das protestantisch geprägte Erzgebirge als Zentrum der Diktaturdurchsetzung von Lehrerentlassungen und Relegierungen heimgesucht wurde, blieb das katholisch geprägte Eichsfeld davon weitgehend verschont. Später konnte sich auch in weiten Teilen des Eichsfeldes zwar die Jugendweihe etablieren, doch bedeutete dies nicht unbedingt eine Abwendung von der katholischen Kirche. Zum Teil gelangten Eichsfelder Lehrerabsolventen in ihre Heimat zurück, weil „Entsendeaktionen“ fehlgeschlagen waren. Im Erzgebirge hatte es die SED weitaus einfacher, zumal in den industriell geprägten Ortschaften. Nur wenige christliche Lehrer bestärkten Schüler in ihrem Glauben. In den achtziger Jahren ließ die Repression nach, zeigten sich die Grenzen der Politisierung auch hier.
Kirstin Wapplers differenzierte Argumentation, die die Grenzen der Politisierung ebenso herausarbeitet wie deren Erfolge verbleibt nicht im Deskriptiven, sondern lotet die Materie auch analytisch aus (z.B. bei den Ursachen für die Vorgehensweise des Staates im Erzgebirge und im Eichsfeld). Es gelingt ihr gut, die Unterschiede zwischen den Verhältnissen im Eichsfeld und im Erzgebirge herauszuarbeiten. Auch die Differenzierung nach zeitlichen Phasen ist treffend. Die Systematik der prägnant geschriebenen Arbeit überzeugt. Es ist ein nicht hoch genug anzurechnender Verdienst der Autorin, daß sie mit Hilfe der zahlreichen narrativen Interviews quellennah die Situation von Schülern und Lehrern einfängt.
Prof. Dr. Eckhard Jesse – TU Chemnitz