Vorwort des TagungsleitersSeit dem Beginn der Gangbildanalyse mit den Untersuchungen von Braune & Fischer Ende des letzten Jahrhunderts beschäftigen sich die Medizin sowie die Rehabilitations-Technik, die Sportwissenschaft und die Arbeitswissenschaft mit der meßtechnischen Objektivierung von Bewegungsabläufen. Dabei stehen verschiedene Zielsetzungen im Vordergrund, die sich in vier Gruppen zusammenfassen lassen. Ein erstes Ziel ist durch die quantitative Erfassung relevanter Meßgrößen gegeben, mit denen eine Unterscheidung gesunder von pathologisch veränderten Bewegungsmustern ermöglicht wird. Zweitens geht es um zeitlich signifikant veränderliche Größen, mit deren Messung eine objektive Verlaufskontrolle im Rahmen der Diagnose, der Therapie und der Rehabilitation durchgeführt werden kann. Drittens müssen Kriterien zur Bewertung der Konstruktion und Funktion orthopädischer Hilfsmittel und von Gelenkimplantaten aufgestellt werden. Viertens gilt es, die individuelle Optimierung von Bewegungsabläufen prothetisch Versorgter bei alltäglichen Aktivitäten und im sportlichen Bereich zu unterstützen.In den letzten zwei J
Vorwort des Tagungsleiters
Seit dem Beginn der Gangbildanalyse mit den Untersuchungen von Braune & Fischer Ende des letzten Jahrhunderts beschäftigen sich die Medizin sowie die Rehabilitations-Technik, die Sportwissenschaft und die Arbeitswissenschaft mit der meßtechnischen Objektivierung von Bewegungsabläufen. Dabei stehen verschiedene Zielsetzungen im Vordergrund, die sich in vier Gruppen zusammenfassen lassen. Ein erstes Ziel ist durch die quantitative Erfassung relevanter Meßgrößen gegeben, mit denen eine Unterscheidung gesunder von pathologisch veränderten Bewegungsmustern ermöglicht wird. Zweitens geht es um zeitlich signifikant veränderliche Größen, mit deren Messung eine objektive Verlaufskontrolle im Rahmen der Diagnose, der Therapie und der Rehabilitation durchgeführt werden kann. Drittens müssen Kriterien zur Bewertung der Konstruktion und Funktion orthopädischer Hilfsmittel und von Gelenkimplantaten aufgestellt werden. Viertens gilt es, die individuelle Optimierung von Bewegungsabläufen prothetisch Versorgter bei alltäglichen Aktivitäten und im sportlichen Bereich zu unterstützen.
In den letzten zwei Jahrzehnten sind vor allem durch die Entwicklung computergestützter optoelektronischer Meßsysteme Erfolge auf diesen Gebieten in greifbare Nähe gerückt. Auf diese Weise hat die Gangbildanalyse nicht nur in der Wissenschaft zu einem besseren Verständnis der menschlichen Bewegung geführt sondern gewinnt auch in zunehmender Weise an Bedeutung für die Praxis.
Die OTTO BOCK STIFTUNG, die sich u.a. die Förderung der Weiterentwicklung von Prothesen und Orthesen sowie die Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis zum Ziel gesetzt hat, hat mit der Ausrichtung des Internationalen Symposiums "Gangbildanalyse - Stand der Meßtechnik und Bedeutung für die Orthopädie-Technik" einen ersten Schritt unternommen, eine Brücke zwischen der - zumeist in der Wissenschaft beheimateten - technischen Entwicklung von Meßverfahren und den Bedürfnissen der Praxis zu schlagen.
Bei der Tagung erwies es sich wegen der interdisziplinären Zusammensetzung des Auditoriums als hilfreich, über eine begriffliche Einleitung und einen Abriß der geschichtlichen Entwicklung in die Thematik hineinfinden zu können.
Bereits während des ersten Veranstaltungstages, der der Darstellung meßtechnischer Prinzipien und ihrer Umsetzung durch die derzeitig auf dem Markt vertretenen Hersteller sowie der Erörterung ausgewählter technischer Fragestellungen durch ausgewiesene Experten gewidmet war, wurde in den Ausführungen der Referenten die Absicht deutlich, einen praxisorientierten, anwendungsbezoge-nen Dialog im Sinne des Versehrten anzuregen.
In einem zweiten Schwerpunkt, in dem Wissenschaftler benachbarter Disziplinen ebenso zu Wort kamen wie diejenigen, die sich täglich in Handwerk, Klinik und Labor praktisch oder wissenschaftlich mit orthopädie-technischen Fragestellungen beschäftigen, wurde bisher Erreichtes dargestellt, aber auch eine Reihe von Zukunftsperspektiven aufgegriffen und diskutiert.
Die breite internationale Beteiligung an der Veranstaltung auf Seiten der Referenten und des Auditoriums unterstreicht nicht nur die Aktualität der behandelten Thematik und die daraus resultierende Notwendigkeit, derartige Veranstaltungen auch in Zukunft auszurichten, sondern rechtfertigt in gleicher Weise den Entschluß der OTTO BOCK STIFTUNG, allen interessierten Kreisen mit dem vorliegenden Band die Expertenvorträge zugänglich zu machen und ihnen so einen Überblick über den aktuellen Stand der Gangbildanalyse in Wissenschaft und Anwendung zu geben.
Prof. Dr.-Ing. U. Boenick
Grußwort des Präsidenten der Technischen Universität Berlin
Neben der Diagnostik und der Therapie von Krankheiten haben heute Rehabili-tationsmaßnahmen, deren Ziel physische, psychische und soziale Wiedereingliederung körperlich oder geistig geschädigter Menschen ist, eine außerordentliche Bedeutung.
Die Erfolge der Rehabilitationsmedizin werden entscheidend von den heutigen Möglichkeiten der Technik mitgetragen. Der ursprünglich in den USA entstandene Begriff »Rehabilitation Engineering« - im deutschsprachigen Raum Rehabilitationstechnik genannt - ist deshalb zu einem integrierten Bestandteil der Rehabilitationsbestrebungen geworden. Erst durch den Einsatz moderner Technik, insbesondere der Elektronik, ist es z. B. möglich geworden, hochgradig motorisch Behinderten durch elektronisch und neuerdings sogar durch sprachgesteuerte, Rollstühle wieder einen Teil ihrer früheren Mobilität zurückzugeben oder Mehrfachbehinderten ohne aktive Lautsprache wieder die Kommunikation mit anderen Menschen zu ermöglichen.
An der Technischen Universität Berlin hat die Rehabilitationstechnik eine lange Tradition. Bereits in den Jahren 1916 wurde hier auf Initiative der Professoren Ferdinand Sauerbruch und Walter Schlesinger in Form der damaligen Prüfstelle für Ersatzglieder eine Institution gegründet, in der sich Ingenieure und Mediziner gemeinsam um die Weiterentwicklung von Gliedmaßenprothesen und Arbeitshilfen für Kriegsbeschädigte kümmerten. Die aus diesen Arbeiten hervorgegangene mehr als 1000 Seiten umfassende Dokumentation »Ersatzglieder und Arbeitshilfen« gehört heute, 70 Jahre nach ihrem Erscheinen, zu den Standardwerken auf diesem Gebiet. Obwohl viele technische Details dieses Buches heute überholt sind, haben die dort niedergelegten Prinzipien nach wie vor uneingeschränkte Gültigkeit und Bedeutung.
Heute ist die dem Institut für Biomedizinische Technik der TU angeschlossene Prüfstelle für orthopädische Hilfsmittel, die Nachfolgerin der damaligen Prüfstelle für Ersatzglieder, als offizielle Prüfstelle des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung das einzige Institut dieser Art in der Bundesrepublik Deutschland. Über die reine Prüftätigkeit an Rehabilitations-Hilfen hinaus wird hier insbesondere an der Entwicklung wirklichkeitsnaher Prüfverfahren sowie an der meßtechnischen Untersuchung von Hilfsmitteln an Behinderten während ihrer täglichen Benutzung gearbeitet. So konnte Ende der siebziger Jahre z. B. mittels speziell für diesen Zweck entwickelter portabler Meßdatenerfassungssysteme mehr als eine halbe Million Belastungsdaten von Beinprothesen gesammelt werden, die nicht nur die Grundlage für die internationale Normung von Prüflastkonfigurationen im Rahmen der ISO bildeten, sondern auch die Entwicklung von Gehsimulatoren und Gestaltfestigkeits-Prüfeinrichtungen ermöglichten, die inzwischen nicht nur in Berlin sondern auch in Italien und in der Volksrepublik China von den offiziellen Prüfstellen dieser Länder eingesetzt werden (bisheriges Auftragsvolumen: 1,6 Mio. DM).
Ein weiteres noch relativ junges Arbeitsgebiet des Berliner Institutes ist die Entwicklung elektronischer Kommunikationshilfen für motorisch Behinderte mit Sprachausfall. Als bedeutendes Ergebnis dieser Arbeiten sei hier die Bliss-Kom-munikationshilfe »Pro-Bliss« genannt, für die dem Institut gemeinsam mit anderen Rehabilitationseinrichtungen in Berlin Ende vergangenen Jahres der Innovationspreis des Landes Berlin zuerkannt worden ist.
Seit einiger Zeit befassen sich das Institut für Biomedizinische Technik und die Prüfstelle für orthopädische Hilfsmittel ferner mit dem Einsatz optoelektronischer Meßverfahren zur Bewegungsanalyse. Ziel dieser Arbeiten ist die meßtechnische Objektivierung des Gangbildes von Gließmaßengeschädigten. Vor allem richten sich die Bemühungen auf die konstruktive Optimierung von Beinprothesenkomponenten aus der Sicht der Kinematik und die Dokumentation des Ergebnisses der prothetischen Versorgung, die bisher aufgrund des subjektiven visuellen Eindrucks des Versorgungsarztes erfolgt. Ein weiteres Ziel ist die Entwicklung vereinfachter kostengünstiger Meßmethoden für die klinische Routineanwendung.
Anläßlich einer hier durchgeführten Recherche zum gegenwärtigen internationalen Stand der Gangbildanalyse-Forschung, die mit finanzieller Unterstützung der OTTO BOCK STIFTUNG durchgeführt werden konnte, entstand der Gedanke, in Berlin ein Internationales Symposium mit allen im In- und Ausland ausgewiesenen Experten dieses Gebietes durchzuführen, in dem der Stand der Meßtechnik und zum anderen die Bedeutung der Ganganalyse für die Rehabilitationstechnik und darüberhinaus für andere medizinische Disziplinen wie die klinische Orthopädie, die Pharmokologie, die Neurologie und die Sportmedizin herausgearbeitet werden sollen.
Diese Veranstaltung, an deren Beginn wir heute stehen, ist durch die großzügige Bereitstellung der hierfür notwendigen Mittel durch die OTTO BOCK STIFTUNG, Duderstadt, möglich geworden. Dem Kuratorium der Stiftung und insbesondere seinem Vorsitzenden, Herrn Dr.-Ing. E.h. Max Näder, dem die Technische Universität vor 5 Jahren in Würdigung seiner Verdienste um die Entwicklung der Orthopädie-Technik die Ehrendoktorwürde verliehen hat, sei an dieser Stelle für dieses finanzielle Engagement herzlich gedankt. Ich hoffe, daß dieses Symposium mit Fachleuten aus allen Teilen der Welt nicht nur zu einem Gedankenaustausch sondern darüberhinaus zu einer internationalen Kooperation auf dem Gebiet der optoelektronischen Bewegungsanalyse beiträgt, denn die Bemühungen um die Rehabilitation von kranken und behinderten Menschen, zu der diese Technik einen wichtigen Beitrag leisten kann, bedürfen der Anstrengungen aller Nationen.
Wir freuen uns über den Besuch aller Teilnehmer dieses Symposiums hier in Berlin. Besonders froh sind wir darüber, daß durch die jüngste politische Entwicklung auch eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen aus dem anderen Teil Deutschlands dabei sein können.
Ich wünsche dieser gemeinsamen Veranstaltung der Technischen Universität Berlin und der OTTO BOCK STIFTUNG Duderstadt einen erfolgreichen Verlauf und Ihnen, meine Damen und Herren, einen schönen Aufenthalt in unserer Stadt.
Prof. Dr.-Ing. M. Fricke
Grußwort des Vorsitzenden des Kuratoriums der OTTO BOCK STIFTUNG
Die OTTO BOCK STIFTUNG hat sich generell die Förderung der Technischen Orthopädie zum Ziel gesetzt. Zur Erfüllung dieses Stiftungszweckes sind entsprechend der Satzung u.a. Fortbildungsveranstaltungen für Ärzte, Ingenieure, Orthopädie-Mechaniker und andere an der orthopädischen Versorgung beteiligten Berufsgruppen sowie die Förderung der interdisziplinären Zusammenarbeit durch die Vermittlung und den Austausch von Fachwissen vorgesehen. In diesen Aufgabenbereich fällt das Symposium Gangbildanalyse 1990.
Als im vergangenen Jahr die Idee zur Durchführung eines internationalen Symposiums über neue Methoden und Zukunftsperspektiven der Bewegungsanalyse in der Orthopädie-Technik an die Stiftung herangetragen wurde, bestand im Kuratorium einhellig die Ansicht, ein derartiges Projekt mit dem Ziel einer weiteren Verarbeitung dieser Technologie in der orthopädietechnischen Forschung sowie in der Praxis zu fördern. Zu diesem Zweck erschien es notwendig, möglichst alle weltweit verfügbaren Meßsysteme in Form von Vorträgen kennen zu lernen und einen Überblick über den derzeitigen internationalen Stand der Forschung und der praktischen Anwendung speziell der Gangbildanalyse zu gewinnen. Der Blick in das Programm des Symposiums zeigt, daß dieser Forderung voll Rechnung getragen werden konnte.
Die Technische Universität Berlin hat die Trägerschaft und die Durchführung des Symposiums übernommen, wofür ihrem Präsidenten, Herrn Prof. Dr.-Ing. M. Fricke, an dieser Stelle herzlich gedankt werden soll. Die Organisation lag in den Händen des Institutes für Biomedizinische Technik, seinem Leiter Herrn Prof. Dr.-Ing. U. Boenick und seinen Mitarbeitern, insbesondere Herrn DipL-Ing. Ch. Mainka. Beiden Herren gilt mein besonderer Dank für die mit der Vorbereitung und Durchführung verbundene großartige Arbeitsleistung. Nicht zu vergessen sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sekretariats von Herrn Prof. Boenick, denen mein Dank in gleicher Weise gilt.
Den Teilnehmern, deren Zahl aus technischen Gründen und um den Symposiumscharakter zu wahren, begrenzt werden mußte, wünsche ich, daß diese Veranstaltung eine Bereicherung ihres Wissens ermöglicht. Wenn sie in der Überzeugung nach Hause zurückkehren, daß der objektiven Erfassung und Dokumentation von Bewegungsdaten von Patienten und Behinderten im Rahmen von Diagnostik, Therapie und Rehabilitation künftig eine zentrale Bedeutung zukommt, dann haben sich die materiellen Aufwendungen und die organisatorischen Bemühungen für dieses Symposium gelohnt.
Um den vorgetragenen und diskutierten Stand der Ganganalyse und ihrer Bedeutung für die orthopädietechnische Praxis weiteren interessierten Kreisen zugänglich zu machen, werden alle hier gehaltenen Referate in einem Dokumentationsband zusammengefaßt.
Ich wünsche dem Symposium nun einen erfolgreichen Verlauf und danke allen Referenten und Teilnehmern im Namen des Kuratoriums der OTTO BOCK STIFTUNG für ihre Beiträge und ihr Interesse an dieser Veranstaltung.
Dr.-Ing. E.h. Max Näder